31.05.23

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Vom Schädling zum Nützling

Anfan des 19. Jahrhunderts galten Regenwürmer als bodenbürtige Schädlinge an Pflanzen und wurden scharf bekämpft. Insbesondere durch die Arbeit des englischen Naturforschers Charles Darwin sollte sich diese Sichtweise ändern. Sein von Wissenschaftlern als Gründungswerk der Bodenbiologische gewürdigtes Buch über "Die Bildung der Ackererde durch die Tätigkeit der Würmer mit Beobachtungen über deren Lebensweise" erschien im englischen Original 1881. Das "Regenwurmbuch" beinhaltete Darwins langjährige Beobachtungen und war ein Bestseller seiner Zeit. Darwins Werk gilt als historischer Wendepunkt zur Wahrnehmung der Bedeutung von Regenwürmern zum Nützling.

REGENWURMARTEN
Ein weit verbreiteter Irrglaube ist, dass es nur "den" Regenwurm gibt. Tatsächlich ist der Name Regenwurm ein Sammelausdruck für zahlreiche Arten. Allein in Deutschland sind 47 etablierte Arten bekannt.  Allerdings ist diese vermeintliche Artenfülle trügerisch, da einige Arten sehr selten oder nur kleinräumig vorkommen. Somit ist in vielen Gebieten mit einer erheblich geringeren Artenzahl zu rechnen.

Der bekannteste Regenwurm ist der Tauwurm, ein bei Anglern beliebter Köder, dessen abgeplattetes Hinterende typisch ist. Als seine einheimischen Verwandten können der Braune Laubfresser und der Rote Laubfresser angesehen werden. Bei beiden ist die jeweilige Färbung und ihre Lebensweise als Streubewohner namensgebend. Weit verbreitet und sehr unauffällig ist der Grauwurm, welcher eine enorme Grabaktivität aufweist. Ebenfalls sehr häufig anzutreffen ist der Schleimwurm, der auf Berührung sein Kopfende leicht birnenförmig einzieht.

Neben dem Tauwurm gehört der Große Wiesenwurm zu den tiefgrabenden einheimischen Regenwurmarten - beide können mehrere Meter tiefe Gänge anlegen. Auf zahlreichen Standorten mit ausreichender Bodenfeuchte kann häufig der Kleine Ackerwurm angetroffen werden. Der größte Regenwurm in Deutschland ist der Badische Riesenregenwurm. Er lebt im Schwarzwald und wird bis zu 60 cm lang. Eine Besonderheit sind die Rindenbewohner, welche an lebenden Bäumen oder Totholz vorkommen. Dem ein oder anderen sind sie vermutlich schon im Mulm alter Bäume begegnet.

Regenwürmer wirken auf mannigfältige Weise auf den Boden ein und gelten als bedeutsame Ökosystemingenieure des Bodens. Dabei werden die wesentlichen Auswirkungen im Wurzelbereich durch die Grabaktivität erreicht. Regenwürmern die in der Streu leben kommt eine untergeordnete Rolle hinsichtlich des Nutzens für Bäume zu - zumindest solange das als Nahrungsgrundlage nötige Laub nur selten am Baumstandort verbleibt. Auch Kompostwürmer können in der Regel nicht positiv auf Bäume einwirken. Daher wird im Folgenden ausschließlich auf die Aktivität der den Mineralboden bewohnenden Würmer eingegangen.

TON-HUMUS-KOMPLEXE
Regenwürmer ernähren sich hauptsächlich von unterschiedlich stark zersetzter organischer Substanz und nehmen beim Fressen des Bodens auch lebende Organismen auf. Im Darmtrakt werden organische und mineralische Bestandteile fest miteinander verbunden. Dabei entstehen organo-mineralische Verbindungen (Ton-Humus-Komplexe) durch die Stabilität der Böden erheblich erhöht wird. Derartige Aggregate wiederstehen Druckeinwirkungen und Erosion, wenn alle anderen Bodenaggregate unter gleichem Einfluss bereits zerstört sind. Ferner sind Ton-Humus-Komplexe Voraussetzung für den Aufbau stabiler Bodenkrümel, welche zusammen mit den Regenwurmgängen für Pflanzen günstige Luft-, Wasser- und Nährstoffverhältnisse schaffen. Außerdem wird die Gesamtmenge der Pflanzennährstoffe des gefressenen Bodens im Kot pflanzenverfügbar konzentriert, weshalb Regenwurmkot auch als Dünger eingesetzt werden kann.

REGENWÜRMER HABEN KEINE ZÄHNE
Da lediglich 5 - 10 % der Nahrung genutzt werden, müssen Regenwürmer relativ große Bodenmengen fressen, um ihren Nahrungsbedarf zu decken. Dabei lutschen sie sich unentwegt durch den Boden, denn Regenwürmer haben keine Zähne. Wenn Regenwürmer neue Gänge im lockeren Boden anlegen ziehen sie die Ringmuskeln im Körpervorderteil zusammen und stecken das dünne Vorderende in den Boden. Dann benutzen sie die Längsmuskeln und schieben mit dem sich verdickenden Vorderende das Bodenmaterial auseinander. Sie können sich somit durch das Wechselspiel von Einschieben und Verdrängen einbohren.

Je nach Regenwurmart wird dabei ein mehr oder weniger umfangreiches Gangsystem angelegt. Manche Arten schaffen ein eher horizontales Gangsystem, welches sich meistens im Oberboden befindet. Das Gangsystem dieser Arten ist nicht von langer Dauer und die Gänge werden mit Kot verfüllt. Die Tiefgräber hingegen legen dauerhafte und vertikal verlaufende Röhren an, welche tief in den Unterboden reichen. Diese Gänge sind dauerhaft bewohnt und sehr stabil, was insbesondere an der sogenannten Losungstapete liegt. Diese Tapete entsteht, indem der Wurm die Wohnröhre ringsum mit Kot auskleidet.

Darüber hinaus arbeiten die Tiefgräber Blätter in den Boden ein und sorgen damit für einen natürlichen Eintrag der organisch gebundenen Nährstoffe in die Tiefe. Somit sorgen sie für eine natürliche Anhebung des Humusgehaltes und reduzieren einige blattbürtige Pflanzenpathogene.

WURZELAUTOBAHNEN
Im Regenwurmgang profitieren Baumwurzeln von einem ungehinderten Gasaustausch bei dem Sauerstoff aus der Atmosphäre in den Boden gelangt und das Kohlenstoffdioxid aus dem Boden abtransportiert wird. Die Folge ist eine für Baumwurzeln günstige Bodenluft. Schließlich reagieren Bäume auf Belüftungsstörungen mit einer nachlassenden Feinwurzelbildung, wodurch der Baum immer weniger ausreichend mit Wasser und Nährstoffen versorgt wird.

Außerdem wirkt ein von Regenwürmern durchmischter und durchlöcherter Boden wie ein Schwamm, in dem Wasser pflanzenverfügbar vorgehalten wird. Die Regenwurmgänge erhöhen die Infiltration, wodurch Regenwasser ungehindert und relativ tief in den Boden gelangt. Dieses ist insbesondere bei Starkregenereignissen von Interesse und verringert Bodenerosion.

Aufgrund des verbundenen Hohlraums und der günstigen Wuchsbedingungen wachsen Wurzeln bevorzugt in die Regenwurmgänge ein, weshalb man diese Gänge auch als "Wurzelautobahnen" bezeichnen darf. Außerdem wird der Wurzelraum durch Gänge erweitert, indem der Zugang zu tieferen Bodenschichten für Wurzeln ermöglicht wird. Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass Regenwürmer sogar stark verdichtete Bodenbereiche lockern können.

FAZIT
Letzlich leisten Regenwürmer durch ihre Ernährungsgewohnheiten und der Fähigkeit Gänge anzulegen einen vielfältigen Beitrag zur Verbesserung des Wurzellebensraumes unserer Bäume. Somit lohnt es, den Regenwurmbesatz auf seinen Flächen wertschätzen und zu fördern. Beispielswiese durch die Reduzierung von für Regenwürmer schädlichen Pflanzenschutzmaßnahmen oder die Gründüngung zur Verbesserung des Nahrungsangebots.