31.05.23

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Jubiläum - 20 Jahre Alkoholfrei

Was bewegt einen Koch und Gastronomen im Jahr 2003 einen alkoholfreien Cocktail auf die Flasche zu füllen? Zum einen war es die Erkenntnis, dass alkoholfreier Sekt stets von den Gästen verschmäht wurde und eben keine echte Alternative zu dem was die Gastronomie an Alkoholischem im Champagnerglas zu bieten hat. Zum anderen kam dazu Jörg Geigers Wissen um den Geschmack und das Aromenpotential alter Obstsorten.

Es war ein Kindheitstraum Jörg Geigers später einmal die alte Obstsorte Stuttgarter Gaishirtle wieder anzubauen. Gaishirtle waren nicht nur köstliche Birnen, auf die er sich jedes Jahr freute, es war auch der Rohstoff aus dem sein Vater ein exklusives Destillat herstellte. Schon bald verstand Geiger, dass nicht nur die Sorte das Aroma prägt, sondern auch die Art wie ein Baum gezogen wird: nicht schnell und auf Ertrag ausgerichtet, sondern eben mit Zeit zum Wachsen bevor die Ertragsphase bei Birnen nach etwa 20 Jahren eintritt. Damit war klar, dass in den alten Streuobstwiesen ein größeres Potential steckt, als durch schnellere, kostengünstigere und vermeintlich modernere Erzeugungsformen erreicht werden kann.

Aufgewachsen in einer Zeit in der die öffentliche Diskussion auch geprägt war von Waldsterben, dem Verlust von Artenvielfalt und der Zunahme von Monokulturen in der Landwirtschaft war Jörg Geiger schon früh entschlossen etwas gegen den Raubbau in den Streuobstwiesen mittels Motorsäge und die thermische Holzverwertung zu tun.

Wir erhalten was wir wertschätzen. Für die Obstwiesen heißt die Lösung deshalb, dem Anbau von WiesenObst wieder Sinn zu verleihen, Alte Obstsorten wurden im landschaftsprägenden Anbau vielfach gepflanzt, um Verwertungsprodukte wie Obstweine oder Schaumwein daraus herzustellen. Die Sorten wurden jeweils ob ihres Aromapotentials, ihres Säure- und Gerbstoffgehalts aus der Natur selektiert und angepflanzt.

Der Weg: Wertschätzung von WiesenObst über die Produktion herausragender Produkte. 1997 begann Jörg Geiger den Birnenschaumwein aus der Champagner Bratbirne auf der Flasche zu vermarkten. Die Idee war nicht neu, denn bereits 200 Jahre zuvor wurde die Herstellung im Handbuch über die Obstbaumzucht und Obstlehre beschrieben. Für Jörg Geiger waren es jedoch zunächst die alten Obstbauern, die immer wieder über die Herstellung berichteten. War es zunächst ein einfacher „Mostsekt“ in moderner Verpackung, entstand über die Jahre ein einzigartiges, geschmacklich herausragendes Produkt. Durch den Rechtsstreit mit dem Comitée Interprofessionel du Vin de Champagne wurde Geiger nur in seinem Willen bestätigt, die Qualität weiter zu steigern und auszubauen. 2003 entschied er sich das, was als Nebenbetrieb eines gut geführten Gasthofes begann zu einem eigenständigen Unternehmen zu machen.

Der dafür notwendige Neubau war noch ganz auf die Herstellung des Birnenschaumweins in traditioneller Flaschengärung und einige Apfel- und Birnenseccos ausgerichtet. Im Jahr der Fertigstellung des Baus, in den sämtliche finanzielle Rücklagen geflossen waren, fielen viele der Champagner Bratbirne Bäume den Auswirkungen einer globalisierten Welt zum Opfer: zwei Baumkrankheiten hatten es aus Nordamerika nach Europa geschafft. Geiger war gezwungen radikal umzudenken.

Krisen können schöpferische Energie freisetzen. In diesem Fall war die Kreativität des Kochs und Gastronomen gefordert. Mit dem Hintergrundwissen der frühen Jahre fand Geiger schnell weitere alte Sorten die mit Säure oder Gerbstoffen ein neues Fundament für einen möglichen alkoholfreien Cocktail boten. In Anlehnung an einen existierenden Fruchtcocktail schuf er 2003 unter Zugabe von schwarzer Johannisbeere, Sauerkirsche Quitte und Holunder den noch heute sehr beliebten „Rotfruchtig“.

Gastronomen erkannten rasch das Potential dieses „Alkoholfreien“ und so entstand 2005 der Wunsch nach einem weißen Pendant – im Glas auf den ersten Blick zumindest farblich nicht von Sekt zu unterscheiden. Geigers Freund Dieter Gaissmayer, Staudengärtner aus Illertissen im bayerisch-schwäbischen Neu-Ulm, war Ideengeber und Geburtshelfer zugleich. Als gelernter Drogist verfügte er neben seinem reich mit Aromakräutern bepflanzten Staudengarten auch über großes Geschick in der Vorauswahl.

Eine neue Welt tat sich auf, nicht nur das Spiel mit Früchten und Gewürzen, sondern eben auch die Verfeinerung mit frischen Kräutern und Blüten eröffnete eine Fülle geschmacklicher Möglichkeiten. Ab diesem Zeitpunkt war Geiger klar, dass er diese Chance nutzen würde und „alkoholfrei“ spannend und komplex sein kann. Die Aromenwelt eröffnet die Möglichkeit das Thema viel größer und weiter zu fassen.

Es waren nicht nur die Natur und die Biodiversität der Obstwiesen, die Geiger motivierten, sondern auch die historischen Quellen. Alte Bücher empfahlen die Verwendung von Eichen- oder Buchenreisig als probates Mittel zur Pressung von weichteigigen Birnen „der Wein würde gut davon“ oder den Einsatz von Austernschalen.

Das Vertrauen in die Entwicklung hin zu alkoholfreien Produkten hat sich ab dem Jahr 2010 auch auf das stetige Wachsen der Manufaktur ausgewirkt. 2015 war der bisherige Standort zu klein. Und ein weiterer Aspekt rückte in den Vordergrund – Alkoholfreie stabil in gleichmäßiger Qualität herzustellen und dies ohne den Einsatz von üblichen Säuerungsmitteln und Konservierungsstoffen. Geiger investierte in einen neuen Produktionstandort nördlich von Schlat. Zum selben Zeitpunkt legte die Manufaktur Jörg Geiger die Rolle des Exoten und Nischenanbieters ab. Geiger übernahm Verantwortung, die weit über die Manufaktur hinaus ging: für die Region, für den Erhalt der alten Sorten sowie den Schutz der Obstwiesen. Und er war einer der Initiatoren und Mitbegründer des WiesenObst e. V. dem inzwischen 350 Stücklesbesitzer mit zusammen 680 Hektar WiesenObstfläche beigetreten sind.

Alkoholfrei liegt inzwischen absolut im Trend – Motivation für viele mit Finanzkraft, starkem Marketingengagement und Vertriebsdruck ins Geschäft einzusteigen, in den kommenden Jahren wird ihre Zahl weiter wachsen. Alkoholfrei ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

In der Manufaktur Jörg Geiger geht es weiter darum, im Bereich Qualität marktführend zu sein und zu bleiben. Die Chancen dafür stehen gut, denn die Produktion beruht auf der langjährigen Erfahrung, aber auch auf dem enormen Engagement der Mitarbeiter die nicht einfach Rezepturen abarbeiten sondern bei jeder Abfüllung nach geschmacklicher Perfektion streben.

In der Manufaktur Jörg Geiger basiert Innovation auf den Werten Vertrauen, Respekt und Achtsamkeit. Jörg Geiger war Wegbereiter für die Inwertsetzung von WiesenObst und dadurch werden heute direkt 30.000 alte Bäume erhalten. Und vielleicht gelingt es ein neues Verständnis für diese ganz alte naturnahe Bewirtschaftungsform Wiesen- Obst zu festigen, ein Musterprojekt in puncto Nachhaltigkeit und regenerative Landwirtschaft. Vielleicht trägt es auch dazu bei, dass sich Menschen nicht nur für Lebensmittel interessieren sondern diese wieder als „Mittel zum Leben begreifen“. Regenerative und biologische Landwirtschaft schaffen die Voraussetzung, der achtsame Umgang in der Herstellung ist der entscheidende Schritt für das weitere Gelingen.

Die Manufaktur Jörg Geiger – kreativer Wegbereiter. Auch in den nächsten 20 Jahren.